Die Tatsache, dass Vögel Krallen besitzen, ist nicht weiter spannend, das ist jedem bekannt. Auch weiß man, dass sich die Vögel aus den Dinosauriern entwickelt haben. Archaeopteryx, der erste entdeckte taubengroßen Urvogel lebte vor ca. 150 Mio Jahren in der Fränkischen Alb bei Solnhofen in Bayern. Archaeopteryx zeigt einen kompletten Zahnbesatz im Schädel und trägt an den Flügeln kräftige Krallen.
Ein Vergleich der Fußkrallen des berühmten Tyrannosaurus rex mit denen der rezenten Laufvögel Strauß und Emu (Abb. 1) zeigt erstaunliche Ähnlichkeiten. Für mich der Beweis, dass die Dinosaurier noch nicht ausgestorben sind, sondern in Form der Vögel weiterleben!
Spannend ist jedoch die Tatsache, dass auch rezente Vögel in ganz unterschiedlichen Ordnungen und Familien Krallen an den Flügeln aufweisen. Bei den schon erwähnten Laufvögeln, Strauß und Emu, die ihre Flügel gar nicht zum Fliegen benutzen, sind die Krallen sogar sehr groß ausgeprägt (Abb. 2). Ähnlich dominant sind die Flügelkrallen auch bei Rallen, Falken und Geiern, und besonders beim jungen Hoatzin.
Spekulationen gehen in die Richtung, dass die Flügelkrallen, gerade wenn man von den Urvögeln ausgeht, zum Klettern in Bäumen oder zum Beutefang wichtig sein könnten. Aufgrund der Tatsache, dass die Krallen bei den heute vorkommenden Arten oft gar nicht aus dem Gefieder hervorstehen, machen diese Ideen eigentlich keinen Sinn. Manche bezeichnen die Flügelkrallen bei den rezenten Vertretern sogar eher als funktionslose Strukturen. Burkhard Stephan mutmaßt, dass die Krallen in den letzten Jahrmillionen mehr und mehr durch Federn verdrängt wurden, und teilweise auch genetische Veränderungen einen Einfluß hatten und haben. Eine genaue Funktion der Flügelkrallen ist bisher nicht geklärt!
Beide hier aufgeführten Publikationen geben einen schönen Überblick über die Verbreitung der Flügelkrallen bei rezenten Vogelarten:
H.I. Fisher,1940, The American Midland Naturalist, Vol. 23 No.1, „The Occurance of Vestical Claws on the Wings of Birds“, 234-243.
B. Stephan, 1992, J. Orn. 133/3, “Vorkommen und Ausbildung der Fingerkrallen bei rezenten Vögeln”, 251-277