Das Skelett, bestehend aus Knochen, einem festen, wenig verformbaren, aber sich ständig auf- und abbauenden Gewebe, gibt den Wirbeltieren eine Stütze, ist Ansatz für Muskulatur und schützt viele empfindliche Organe wie Sinnesorgane und das Gehirn. Durch den Schädel am vorderen Ende des Skeletts kann man viel über das Leben und die Ernährungsweise von Wirbeltieren lernen. Mit dem Schädel nimmt ein Tier seine Umgebung wahr, viele Sinne sind mit ihm verbunden. Ein Tier kommuniziert, verteidigt sich mit ihm und nimmt Nahrung mit ihm auf. Während eines Lebens verändert der Schädel ständig seine Proportionen und sein Aussehen
In der Veröffentlichung von Gaffrey (1952) wird am Beispiel vom Hund aus verschiedenen Perspektiven der Schädel gezeigt und entsprechende Bezeichnungen sind eingefügt: Quelle: Gaffrey G, 1952, Die Schädel der mitteleuropäischen Säugetiere, in: (Hrsg: R. Reichert) Abhandlungen und Berichte aus dem Staatlichen Museum für Tierkunde, Forschungsinstitut, Dresden, Band 21
Der Aufbau der verschiedenen Schädel ist trotz ihrer Unterschiedlichkeit im Prinzip sehr ähnlich. Viele Merkmale sind eher ursprünglich, wie etwa der Besatz von Zähnen bei der Ordnung der Insektenfresser. Andere Schädel zeigen Spezialisierungen wie die Nagezähne der Nager, das Fehlen von Zähnen (im Oberkiefer von Hirschen, Schnabeltiere) oder der scharfe Kauapparat bei den Alligatoren.
Die Zähne lassen besonders gut auf die Ernährung der Tiere schliessen. Fleischfresser etwa haben spitze und messerscharfe Zähne, mit denen sie Fleischstücke herausreissen und zerkauen können. Grass- und Pflanzenfresser, wie etwa Pferd oder Rind, haben grosse breite Backenzähne mit einer flachen, strukturierten Oberfläche. Zähne wie beim Menschen oder beim Schwein lassen auf eine Ernährung durch Fleisch und Pflanzen schliessen.
Im Allgemeinen besitzen Fleischfresser wie die Raubtiere große prominente Eckzähne. Aber auch manche Hirsche haben zum Teil besonders lange Eckzähne, wie etwa das Chinesische Muntjak (Muntiacus reevesi), siehe Abbildung 8. Wie bei Wasserrehen und Moschustieren (dies sind auch Paarhufer, allerdings keine Hirsche) sind bei den männlichen Tieren die Eckzähne sehr lang und werden neben dem Geweih, wenn vorhanden, beim Kampf mit Artgenossen eingesetzt. Diese vergleichsweise extremen Eckzähne sind allerdings kein Zeichen, dass sich diese Tiere jetzt wie Raubtiere verhalten und zu Fleischfressern werden. Im Laufe der Evolution der Hirsche waren lange und scharfe Eckzähne bei männlichen und weiblichen Tieren weit verbreitet, sie haben sich aber bis auf die wenigen Ausnahmen dezent zurückgebildet. Muntjak und Chinesisches Wasserreh, die ursprünglich aus Ostasien stammen, sind übrigens in England eingeführt worden, vor allem für die Jagd. Der Schädel in Abbildung 8 stammt von einem Tier, welches in England geschossen worden ist, siehe auch den Artikel unter „Other Languages – summary (english)“ auf dieser Website.
Literatur zum Thema: https://www.scinexx.de/news/geowissen/urzeitlicher-vampirhirsch-in-sueddeutschland-entdeckt
Charakteristisch für die meisten echten Raubtiere ist die „Fleischschneideschere“, auch als „Brechschere“ bezeichnet. Im Oberkiefer wird diese gebildet vom 4. Prämolaren, Vorbackenzahn (P4) und im Unterkiefer vom 1. Molaren, Backenzahn (M1). Diese beiden Zähne gleiten in ihrer Position so nah aneinander vorbei, dass eine sehr scharfe Schneide entsteht, mit der rohes Fleisch sehr effizient zerschnitten werden kann (Abb. 9). Und obwohl der Wolf (Abb. 9B) insgesamt 42 Zähne trägt und der Puma (Abb. 9A) nur 30, sind es die gleichen beiden Zähne, die dieses wichtige Werkzeug ausmachen. Andere Fleischfresser schlingen ihre Beute ganz hinunter oder haben alternative Scheren entwickelt.
Bei offenem Maul kann man bei lebenden Tieren wie Katze, Hund und Tiger von den Zähnen schon sehr viel erkennen, was allerdings im präparierten Schädel dann noch etwas deutlicher und detailreicher darstellbar wird.
Bei denjenigen Säugetieren, die bisher in diesem Kapitel mit ihren Zähnen abgebildet worden sind, spricht man von Heterodontie, welche das Vorhandensein verschiedenartig ausgebildeter Zahngruppen in einem Gebiss auszeichnet. Dies ist typisch für die meisten Säugetiere, deren Gebiss mit Schneidezähnen, Eckzähnen, Prämolaren (Vorbackenzähnen) und Molaren (Backenzähnen) in unterschiedlicher Zusammensetzung ausgestattet ist.
Im Gegensatz zur Heterodontie steht die Homodontie, der evolutionsgeschichtlich ursprüngliche Zustand des Gebisses der Landwirbeltiere. Er ist typisch für Amphibien und Reptilien (siehe Abb. 12b, den Alligator als Beispiel), kommt aber auch (sekundär) bei Säugetieren vor, die ihre Nahrung in der Mundhöhle nicht weiter bearbeiten, sondern sie ohne Kauen verschlucken. Ein Paradebeispiel hierfür sind die Zahnwale, siehe den Schweinswal in Abb. 12a als Beispiel.
Zweite Reihe: Zahn vom Weißspitzen-Hochseehai (Carcharhinus longimanus, (f)), vom Galapagoshai (Carcharhinus galapagensis, (g)), vom Sandtigerhai (Carcharias taurus, (h)), vom Tigerhai (Galeocerdo cuvieri, (i)), vom Zitronenhai (Negaprion brevirostris, (j)), vom Stumpfnasen-Sechskiemerhai (Hexanchus griseus, (k)).
Dritte Reihe: Zahn vom Koboldhai (Mitsukurina owstoni, (l)), Zahn vom Großen Hammerhai (Sphyrna mokarran, (m)), Fossilhai (Hemipristis elongata, (n)), vom Schokoladenhai (Dalatias licha, (o)) vom Nagelhai (Echinorhinus brucus, (p)) und vom Grönlandhai (Somniosus microcephalus (q)).
Der weisse Balken entspricht in allen Reihen 3 cm. Bis auf den ersten Zahn handelt es sich um Originale!
Auch beim Hai sind die einzelnen Zähne meist fast identisch in ihrer Form, allerdings innerhalb eines Individuums unterschiedlich groß (siehe Abb.13). Bei Haien wachsen die wurzellosen Zähne auf der Innenseite des Kiefers beständig nach, so dass hinter jedem vorderen Zahn im Zahnbogen mehrere Folgezähne (beim Bullenhai sieben) in verschiedenen Entwicklungsstadien stehen. Man bezeichnet das als Revolvergebiss. Die Zähne in den vordersten Reihen stehen senkrecht im Kiefer, die hinteren liegen zunächst an und richten sich im Laufe ihrer Entwicklung allmählich auf, wobei der vorderste Zahn letztlich ausfällt. Das Zahnwechsel-Intervall ist je nach Hai-Spezies acht Tage bis einige Monate und verläuft an jeder Zahnposition unabhängig (Text adaptiert von Wikipedia, siehe unten, leicht verändert).
Literatur:
Viele Säugetiere, wie etwa Katzen, Hunde, Pferde, Fledermäuse, aber auch der Mensch, haben als Kleinkind oder Jungtier zunächst ein Milchgebiss (Abb. 6-8). Bei Faultieren und Delfinen etwa findet man es allerdings nicht. Bei Meerschweinchen erfolgt der Zahnwechsel schon im Mutterleib und die kleinen Nager kommen schon mit dem bleibenden Gebiss auf die Welt.
Das Milchgebiss ist sehr wichtig, da im kleinen Kiefer des Kleinkindes/Jungtieres nicht viel Platz vorhanden ist, der dann zunächst von den vergleichsweise kleinen Milchzähnen eingenommen wird und das Kauen ermöglicht (Abb. 6). Nach einiger Zeit wird dieses temporäre Gebiss dann nach und nach gegen ein bleibendes ausgetauscht (Abb. 7). Diese dauerhaften Zähne sind größer und breiter und bilden im Erwachsenen-Kiefer letztendlich eine geschlossene Zahnreihe. Der Name „Milchzahn“ kommt von der bläulich-weißen Farbe der Milchzähne (sie sind milch-ähnlich gefärbt im Gegensatz zum eher gelblichen, bleibenden Gebiss), andererseits durch die in der ersten Lebensphase typische Ernährung mit Muttermilch, charakteristisch für alle Säugetiere.
Literatur zum Thema „Zähne“:
Der Zahnwechsel beim Menschen läßt sich bei den Fotos vom Gebiß eines Kindes, bei dem es sich um ein Replikat handelt (Abb. 17 a-c), sehr schön erkennen. Die Dauerzähne sind oberhalb im Oberkiefer und unterhalb im Unterkiefer schon erkennbar und schieben die Milchzähne mit der Zeit heraus.
Im Institut für Anatomie der Universitätsmedizin Rockstock findet sich ein besonders interessantes und wirklich bemerkenswertes Schimpansen-Skelett (Abb. 18). Das Besondere ist im Schädel zu finden, genauer gesagt bei den Zähnen (Abb. 19). Bekannt und berüchtigt als der „Schimpanse mit den vielen Zähnen“ haben wir erst das Phänomen der ‚Hyperdontie‘ angenommen, eine ‚Zahnüberzahl‘. Wenn diese zusätzlichen Zähne nicht Teil des Dauergebisses (‚echte Hyperdontie‘) sind, und die eigentliche Anzahl der Zähne durch Ziehen des Milchzahns (tritt oft bei Hunden und Katzen auf) wieder ausgeglichen werden könnte, spricht man auch von einer ‚unechten Hyperdontie‘.
Mit dieser Hypothese und den Fotos in Abbildungen 18 und 19 hatte ich das Glück, den Zahnarzt Dr. Andreas von der Lippe-Anacker (ZAvdL-A), zur Zeit an der Universitätsmedizin Halle, kennenzulernen, dem ich die Fotos zeigte. Dieser Experte erkannte sofort, dass es sich um kein pathologisches Phänomen wie eine Hyperdontie handelt, sondern um einen Zahnwechsel. Der Schimpanse ist wohl zum „richtigen“ Zeitpunkt gestorben, um diesen Zahnwechsel in seiner ganzen Breite am Schädel studieren zu können. ZAvdL-A hat daraufhin alle Zähne zuordnen können, auch mit Hilfe der von Anna-Maria Begerock etwas später aufgenommenen Fotos vom Gaumen des Oberkiefers und des Unterkiefers von innen (Abb. 22).
Abbildungen 20, 21 und 23 dokumentieren diese Zuordnung. Auch zwei Zahnlücken im Unterkiefer (Abb. 21 und 23) konnten den (noch) nicht erkennbaren Zähnen zugeordnet werden. Aufgefallen ist, dass der Zahnwechsel auf der linken Seite weiter fortgeschritten war als auf der rechten Seite.
Einen detaillierteren Blick auf die Oberfläche des Schädels (Abb. 26) und ins Innere der Knochen (Abb. 27-30) erlaubten die Scans mit Hilfe eines Computertomographen (CT, General Electric Revolution CT (256-Zeiler)) mit der Hilfe von Dr. Ines Steinhagen, Universitätsmedizin Rostock. Damit wurden einige der vermuteten Zähne bestätigt, die noch nicht aus den Kiefern ausgewachsen waren.
Die Zahnformel beim Schimpansen lautet I2-C1-P2-M3, wobei I: Incisivi, Schneidezähne (zwei in jedem Kiefer), C: Canini, Eckzähne (einer in jedem Kiefer), P: Prämolare, Vorbackenzähne (zwei in jedem Kiefer) und M: Molare, Backenzähne (drei in jedem Kiefer) bedeuten. ‚L‘ bezieht sich auf das Milchgebiß (lateinisch Dentes lactales), ‚D‘ auf das Dauergebiß. Der M3D ist übrigens der 3. bleibende Molar, der Weisheitszahn, der an allen vier möglichen Stellen im Kiefer nachweisbar war.
Auf meinem Weg zurück von Rostock und Halle habe ich einem Freund von dem Schimpansen erzählt und er hat mir gleich das Foto seines Sohnes Ferdi geschickt (Abb. 24b). Ich war mehr als verblüfft, gerade beim rechten Eckzahn des Dauergebisses das gleiche Phänomen zu sehen wie bei dem Schimpansen. Ein Zahn, der scheinbar einfach viel zu hoch aus dem Oberkiefer schießt. Bei Ferdi wird dieser Eckzahn irgendwann, wohl mit Hilfe einer weiteren Zahnspange, an der richtigen Stelle im Gebiß angekommen sein. Wahrscheinlich hätte ich eine Hyperdontie beim Schimpansen nie in Erwägung gezogen, wenn ich das Foto von Ferdi vorher gekannt hätte.
Im Oberkiefer vom Schimpansen findet sich außerdem ein ‚Diastema‘, eine Zahnlücke zwischen den vorderen Schneidezähnen, die nicht durch einen Zahnverlust bedingt ist (Abb. 24a). Dies ist erkennbar vor allem zwischen den beiden vorderen Schneidezähnen (‚Diastema mediale‘) und auch zwischen den beiden jeweils nächsten Schneidezähnen zu beiden Seiten. Wenn alle Frontzähne auf Lücke stehen, spricht man auch von einer ‚aufgefächerten Front‘ oder ‚lückenhaften Frontzahnstellung‘ laut ZAvdL-A.
Als prominentes Beispiel, wo ein solches ‚Diastema mediale‘ recht offensichtlich war, ist Terry-Thomas, der bereits verstorbene englische Schauspieler und Komiker zu nennen. Bei ihm war dieses Diastema sogar 8,5mm breit (Abb. 24c)!
Aufgefallen ist ZAvdL-A außerdem ein Überbiß und eine Prognathie. Ich zitiere ihn:
„Von einem Überbiss spricht man dann, wenn die Oberkieferfrontzähne in sagittaler Betrachtung, von der Seite her gesehen, deutlich weiter nach vorn stehen als die Unterkieferfront. Der Oberkiefer überragt den Unterkiefer. Das ist hier der Fall!
Allgemein kann man auch gut – den gesamten Schädel betrachtend – von einer deutlichen Prognathie, also einer Schnauzenbildung sprechen. Der gebisstragende Teil des Schädels ist betont nach vorn gezogen und prominent, der Hirnschädel „flieht“ eher nach hinten und erscheint weniger eindrucksvoll.
Aber etwas ändert sich…
Zwar bleibt das Verhältnis von Gebiss- zu Hirnschädel etwa gleich. Jedoch zeichnet sich bei diesem Wechselgebiss schon eine Entwicklung ab, die beim Schädel des ausgewachsenen Schimpansen (Abb. 25) deutlich sichtbar ist: Der Überbiss kehrt sich um!“
ZAvdL-A macht das vor allem an den Zähnen des Unterkiefers fest. Leider können wir bei diesem jungen Schimpansen nicht mehr beobachten, in wieweit er als Erwachsener den Überbiss wieder verloren hätte.
Fotos von der Schädel-Replik eines erwachsenen männlichen Schimpansen (Abb. 25) zeigen zudem, wie beim fertigen Dauergebiß alle Zähne harmonisch geschlossen erscheinen können.
Wann das Skelett in die Rostocker Sammlung gekommen ist, bleibt unklar, vielleicht Ende der 1960er Jahre, als man für die vergleichende Anatomie Skelette mehrerer Tiere für die Sammlung ankaufte. Diese Sektion der Anatomie ist seit 2019 aufgelöst.
Danke für Diskussion und Unterstützung an:
Kay Opiela, Tierarzt, Bergisch Gladbach
Dr. Johannes Weber, Zahnarzt, Pfaffenhausen
Ferdi für die Überlassung des Fotos seiner Zähne!
Dra. Anna-Maria Begerock (IECIM [Instituto de Estudios Científicos en Momias], Madrid, Spanien. Sie hat mich wegen des Schimpansen angesprochen und die ganze Geschichte ins Rollen gebracht.
Dr. Ines Steinhagen, Fachärztin für Radiologie, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsmedizin Rostock, für die Anfertigung und Überlassung der CT-Scans.
Claudia Steinicke, Kuratorin der Meckelschen Sammlung, Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Halle-Wittenberg. Frau Steinicke hat den Kontakt zu AvdL-A hergestellt!
und vor allem Dr. Andreas von der Lippe-Anacker, ohne den wir wahrscheinlich der falschen Hypothese eine ganze Zeit gefolgt wären. Vielen Dank dafür!!
Die Erkenntnisse, die wir aus dem Studium der Zähne gewinnen, können in der Paläontologie, der Wissenschaft, die sich mit ausgestorbenen Tieren beschäftigt, auf die Interpretation von Eigenschaften von Schädel- und Zahnfunden von fossilen Wirbeltieren übertragen werden. Damit ist es möglich, auch bei Tieren, die vor vielen tausend Jahren ausgestorben sind, noch ihre Lebensweise zu rekonstruieren. Hilfreich ist dabei die Tatsache, dass die Zähne sehr robust sind und auch Jahrmillionen gut überstehen können.
Die Stellung und Größe der Augen gibt uns ebenfalls Auskunft über das Verhalten der Tiere. Sind die Augenhöhlen sehr groß, läßt das auf eine Aktivität bei Nacht schließen.
Augen, die nach vorne zeigen, sind ideal für Räuber wie Alligator, Wolf und Fuchs. Sind die Augen seitwärts zu finden, erlaubt das den Tieren, sehr weit ihre Umgebung zu überwachen, sogar nach hinten zu schauen. Man findet dies z.B. bei Hirschen, Gemsen oder Kaninchen, die oft Opfer von Raubtieren werden können und darauf angewiesen sind, schnell ihre Feinde zu erkennen um dem Erlegen zu entkommen.
Das Geweih ist der aus Knochensubstanz gebildete „Kopfschmuck“ von männlichen Hirschen, nur beim Rentier tragen beide Geschlechter ein Geweih. Es dient primär der Auseinandersetzung der Tiere während der Brunft als Teil des Imponierverhaltens sowie im Kampf rivalisierender Hirsche um das Paarungsvorrecht (Abb. 34).
Nicht zu verwechseln ist das Geweih mit dem Kopfschmuck der Hornträger (Boviden) wie bei Mufflon, Bison oder Ziegen. Dieser besteht aus Horn (vor allem Keratin), wächst ein Leben lang mit und wird nicht abgeworfen, kann aber bisweilen abbrechen. Geweihe dagegen werden jedes Jahr neu gebildet, gesteuert durch den Testosteronspiegel und sind im Folgejahr dann größer, meist mit mehr Verzweigungen. Ein Entzug der Sexualhormone, z.B. durch Kastration, verhindert die Ausbildung des Geweihs (Bubenik, 1966). Warum die Geweihe jedes Jahr abgeworfen und neu gebildet werden, ist in dem Artikel von ‚National Geographic‘ von 2018 über Elche als den größten Hirschen, erklärt, der unten als Link zu finden ist: „Indem die Elche sich ihrer riesigen Geweihe entledigen, werden sie auf einen Schlag bis zu 27 Kilogramm los. Dadurch sparen sie mehr Energie, um sich auf den Winter vorzubereiten“. Zu erwähnen ist außerdem, dass neue Geweihe zunächst von einem von Blutgefäßen, Talg- und Duftdrüsen durchzogenen Hautmantel, ‚Bast‘ genannt, überzogen sind, der am Ende gewaltsam abgestreift wird, was man als „Fegen“ bezeichnet und manchmal etwas blutig wirkt (Abb. 35 II).
Im Längs- und Querschnitt durch das Horn sieht man (Abb. 36 II und III), dass es kappenartig einem Knochenzapfen aufsitzt. Die Hörner wachsen das ganze Leben, wie an den "Wachstumsringen" erkennbar ist. Hörner zeigen außerdem nie eine verzweigte Struktur.
Bei Geweihen kommt es nicht selten zu Fehlbildungen, was unterschiedlichste Ursachen haben kann. Siehe dazu auf dieser Website: „Pathologische Schädel & Skelette“ / „Sonstige Reptilien und Säugetiere“, ganz am Ende!
Literatur zum Thema:
Geweihe und Hörner sind gerade bei Jägern beliebte Objekte für Trophäen-Sammlungen. Meist wird kein geschossenes Tier ausgelassen und die Hörner und Geweihe, zum Teil auch die Zähne, an der Wand im Wohnhaus angebracht, manchmal, bei sehr aktiven Jägern, recht opulent in einem Jagd- oder Trophäenzimmer.
Pro Tier findet man üblicherweise 2 Hörner. Doch es gibt auch den Fall, dass den Kopf von wenigen Paarhufern 4 Hörner zieren, etwa bei dem Vierhornschaf (Jakobsschaf), welches aus Kleinasien stammen soll, und eine Schafsrasse darstellt, siehe Abbildung 38. Auch eine Vierhornziege ist bekannt, die als Mutante der Hausziege auftrat und nun verschiedenen Rassen eingekreuzt wird. Außerdem existiert die Vierhornantilope, die einzige wildlebende Antilope aus Indien und Nepal, die durch Schwund ihres Lebensraumes immer seltener wird. Mehr als zwei Geweihstangen findet man bei Hirschen nur bei abnormen Ausprägungen, siehe hierzu Kapitel „Pathologische Schädel und Skelette“, „Reptilien und Säugetiere“ auf dieser Website.
Auch Tiere mit nur einem einzigen markanten Horn wurden beschrieben, wie das Einhorn, bei dem das Horn prominent auf der Stirn gewachsen ist. Wenn an einer Meeresküste Fragmente des Stoßzahns vom Narwal gefunden worden sind, sah man das als Beweis für die Existenz dieses Fabelwesens an, welches den Pferden verwandt ist. In Abbildung 17 ist ein perfektes Exemplar des Schädels eines Einhorns aus Ost-Europa gezeigt. Kann dieses Foto als Beweis gelten für die reale Existenz dieser Kreaturen, wie Kryptozoologen es oft behaupten? Kryptozoologie ist die Wissenschaft, die sich mit Tieren beschäftigen, für deren Existenz es nur schwache und zweifelhafte Belege gibt, meist aus dem Bereich der Mythologie. Im Kapitel „Kurioses“ sind zwei Beispiele von lebenden Einhörnern beschrieben.
In früheren Jahrhunderten wurde viel Zeit und Energie investiert, mit den Mitteln jener Zeit die exakte Anatomie des Menschen und der Tiere aufzuklären. Abbildung 18 zeigt Zeichnungen von William Cheselden (1688-1752), einem englischen Chirurg und Anatom, der einen großen Anteil an der Etablierung der Chirurgie als medizinische Wissenschaft hat. Sein berühmtes Werk „Osteographia or the Anatomy of Bones“ von 1722 gilt als erste vollständige und korrekte Beschreibung der Anatomie des menschlichen Skelettes.
Von einigen Tieren, die aus verschiedenen Gründen Berühmtheit erlangt haben, sind einzelne Knochen oder ganze Skelette aufbewahrt worden und in Ausstellungen zu sehen. Als Beispiel ist das Skelett von dem Pferd Condé, einem Fliegenschimmel-Wallach, zu nennen, welches von Friedrich dem Großen, König von Preußen und volkstümlich „Alter Fritz“ genannt, als Leibreitpferd geschätzt wurde. Condé wurde in mehreren Gemälden, mit und ohne den König, verewigt.
Auch Kaiser Napoleon´s Pferd „Marengo“ erlangte Berühmtheit und ist als Skelett im National Army Museum in London erhalten. Das Museum hat mir erlaubt, das Photo für diese Website zu benutzen.